‚N Schot in de Roos
Von Silvia Szymanski // 19. Oktober 2011 // Tagged: Pornfilmfestival 2011, Porno // 1 Kommentar
Nach dem Rock`n`Roll, den Orgien, Obsessionen und Abenteuern der 1970er Jahre ist der internationale Pornospielfilm im Jahre 1983 bei den heterosexuellen Pärchenbeziehungen im wohlhabenden bürgerlichen Mittelstand angekommen. Von hier aus wird er nirgendwo mehr hin gehen.
Alex hat mit seiner Frau Maja ganz okayen Sex, aber er fühlt sich durch ihr erotisches Desinteresse an der Außenwelt mit ihr eingesperrt. Neidisch auf die experimentierfreudige Ehe seines Freundes, drängt er, dass auch Maja mal was ausprobiert. Ihren vermeintlichen Neigungen entsprechend, sucht er einen Mann für sie aus, es ist ihm ernst, und Maja lässt sich widerwillig darauf ein. Danach aber beschließt sie, sich selber Liebhaber auszusuchen, um ihrem Mann eine Lehre zu erteilen. Gibt sich als Straßenprostituierte aus, schenkt einem Freier einen Fick. Lässt sich von einem verheirateten Rentner im Wohnwagen mitnehmen und erfüllt ihm den Wunsch, sich auf dem Rücksitz selbst zu befriedigen; er schaut beim Fahren ab und zu über die Schulter und ist eine tolle Besetzung für die originelle Rolle in dem Kontext. Alex aber ist missmutig, da Maja ihn nicht in ihre Abenteuer einbezieht. Als sie auch noch mit ihrer Freundin provozierend vor ihm tanzt und ihn absichtlich ausschließt, geht er verunsichert schlafen. In seinem Traum ist er ein Gekreuzigter, von den beiden Frauen sadistisch heiß gemacht und dann frustriert. Als er erwacht, ist Maja aber bei ihm, befriedigt ihn lieb, beide haben was gelernt aus dem Theater, Klappe zu, Affe tot.
Innerlich zanke ich mich mit diesem Film. Einerseits ist er technisch von bester Qualität, gut fotografiert, nicht übel gespielt, er hat Stringenz, man folgt ihm, und es gibt nicht wenige originelle, amüsant sexy Szenen. Ich mochte Alex` verdruckstes, absurdes Gefummel mit seiner außerehelichen Schachpartnerin, das bei aller Offensichtlichkeit noch den Schein der Harmlosigkeit zu wahren sucht. An der Stelle hat der Film auch eine belustigend laute, atmosphärisch starke Tonspur, kein Schwein sagt was, man hört lange Zeit nur Hüsteln, schwer beherrschtes Atmen, Ächzen, unbehagliches Knistern von Klamotten. Sehr schön auch die Episode mit dem Rentner, die Dialoge, ihr Umgang mit einander, down to earth, gelöst und echt, für mich das Highlight in dem Film. Auch die Kreuzigung ist fotogen. Es lassen sich wie von selbst viele schöne Screenshots machen, die aber einen Film suggerieren, den ich mehr geliebt hätte als den, den ich gesehen habe
Denn ich kann diesen Pärchenkrampf nicht ab. Ich will nicht sehen, wie sie einander mit seelischer Grausamkeit ihre Freiheit beschneiden und den anderen abrichten. Wie Alex überlegt, wie er Maja manipulieren und seine Ehe tunen oder aufmöbeln könnte; es sind überhaupt zu viele Autos und Möbel überall. Aber auch Majas Freche-Frauen-Beratungsbuch-Raffinesse, dieses „Ich zeig`s ihm jetzt“, der triumphierenden Pakt mit der Freundin, ich finde das nicht sexy. Sie leben so erbärmlich klein und unpoetisch. Ich möchte meinen Bill Harrison in Bijou zurück, DAS war ein Mann, DAS war ein Mensch. Fast könnte ich weinen. Diese Art Heterosex finde ich dagegen so unecht und gezwungen.
„Aber, hey“, sagt der Film, „du sollst doch nicht vergleichen, `jeder Film für sich` war die Devise. Und vielleicht will ich ja gerade zeigen, dass es nicht gut ist, so zu leben, ich will in Wirklichkeit vielleicht etwas Sozialkritisches sagen?“
„Ja, aber, Film“, sag ich darauf, „das brauch ich nicht, ich weiß Bescheid über diese Welt, und ich will anders leben. Warum gibst du mir statt dieser niederschmetternden Alltäglichkeit nicht etwas Abgedrehtes, Entlegenes, Dunkles, Melancholisches, Musikalisches,Ursprüngliches, etwas mit Tiefe oder Geist, Phantasie oder Esprit, etwas, das mich erregt oder ermuntert? „Ich bin nicht auf der Welt, um dir deine Wünsche zu erfüllen“, antwortet der Film.
In dem Buch, das ich gerade über Rainer Werner Fassbinder lese, steht dass er es gut fand, wenn die Leute aufgebracht aus einem Film kamen und sagten: So nicht. Hm, ich weiß nicht. Ich muss denken.
Ein Kommentar zu "‚N Schot in de Roos"
Ach, Diana de Koning, die kenne ich noch aus der Fernsehserie „Pin Up Club“, damals für Pubertierende in Grenznähe eine Pflichtveranstaltung. :D Nicht nur früher, sondern auch besser gemacht als vergleichbare Formate im dt. Privatfernsehen später.